Die Erschöpfung, die du nicht heilen kannst

Wir arbeiten an uns. Wir regulieren unser Nervensystem, meditieren, atmen tief, suchen Erdung, heilen unsere vergangenen Traumata und überwinden unsere Blockaden. Wir lassen uns coachen, therapieren, klopfen, clearen, entlassen alte Muster, lösen Ahnenlinien auf, machen Lichtarbeit – und trotzdem sind viele von uns erschöpft. Tief erschöpft. Nicht nur körperlich, sondern auf einer Ebene, für die Worte manchmal fehlen.

Es brodelt unter der Oberfläche. Da ist eine Unruhe, ein Zittern, ein inneres Vibrieren, das einfach nicht aufhört. Auch nicht, wenn wir „alles richtig machen“. Es ist, als würde man auf einem Laufband stehen, das sich nicht abstellen lässt. Das Funktionieren müssen in einer Realität, die nie für das gemacht war, was man wirklich ist. Und das ist sie nicht.

Und vielleicht liegt genau da der Knackpunkt: Das Problem ist nicht deine Vergangenheit. Nicht deine Eltern. Nicht dein frühkindliches Trauma – zumindest ist das nur ein Teil der Geschichte. Das eigentliche Trauma ist viel größer. Es ist kollektiv. Es ist strukturell. Und es ist jeden Tag präsent und erneuert sich ständig.

Wir leben in einer Realität, die selbst ein posttraumatisches Nervensystem hat

Die Realität als kollektives Trauma

Stell dir vor, du befindest dich in einem Raum, in dem alle Menschen angespannt sind. Niemand spricht offen darüber, aber du spürst: Hier herrscht Stress. Jeder versucht irgendwie zu funktionieren. So gut es geht. Und während sich jeder bemüht, die eigene Anspannung zu regulieren, erzeugt das System selbst permanent neue Reize, neue Trigger, neue Druckwellen.

Dieser Raum ist unsere kollektive Realität. Eine Realität, die auf Leistung, Funktionieren, Bewertung, Vergleich, Trennung und Angst basiert. Und auch wenn wir uns innerlich längst auf einen anderen Weg gemacht haben – wir leben trotzdem mitten in dieser Struktur.

Wir sollen darin „gesund werden“, „heil sein“, „uns selbst finden“. Aber das ist wie barfuß über Scherben zu tanzen und sich zu wundern, warum die Füße nicht heilen.

Das Trauma kommt nicht nur von früher – es ist immer noch da

Es gibt eine Form von Trauma, die nicht „verarbeitet“ werden kann, weil sie nicht abgeschlossen ist. Sie ist nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart. Sie ist überall da, wo wir versuchen, in eine Realität zu passen, die tief in sich selbst traumatisiert ist.

Es ist der Versuch, ein „normales“ Leben zu führen in einer Welt, die den Kontakt zum Wesentlichen verloren hat. Die Schnelligkeit, die Informationsflut, die ständige Bewertung, die künstliche Trennung von Körper und Geist, Mensch und Natur, Ich und Du.

Wenn du sehr feinfühlig bist, wenn du wach bist, wenn du dich erinnerst, wie Leben sich anfühlen kann, dann macht dich diese Welt krank. Nicht unbedingt körperlich, aber auf Ebenen, die dich leer, orientierungslos und abgeschnitten fühlen lassen können.

Und dann beginnst du zu glauben, dass etwas mit dir nicht stimmt.

Wir leben in parallelen Realitäten – und sie kollidieren

Es gibt nicht die Realität. Es gibt viele. Unterschiedliche Realitäten, die nebeneinander existieren – erschaffen durch das Bewusstsein der Menschen, die sie bewohnen.

Wenn du dich mit Menschen umgibst, die in der Realität von „Angst“, „Mangel“ und „Kampf“ leben, wirst du ihre Frequenz spüren – auch wenn du selbst längst auf einer anderen Ebene schwingst. In unterschiedlichen Gruppen erlebst du unterschiedliche gemeinsam erschaffene Realitäten auf unterschiedlichen Ebenen. Und wenn du diese Unterschiede nicht bewusst hast, beginnst du zu glauben, du müsstest dich anpassen.

Du beginnst, gegen dich selbst zu leben.

Die Realität eines anderen Menschen kann zu deinem inneren Stressor werden – wenn du versuchst, dich in sie einzufügen. Besonders dann, wenn es Menschen sind, die dir nahestehen: Familie, Partner, Kollegen, alte Freundschaften. Die Spannungen entstehen nicht, weil ihr euch nicht mögt – sondern weil eure inneren Welten nicht mehr zusammenpassen.

Und genau das kostet unfassbar viel Energie.

Das unsichtbare Ringen um Kohärenz

Das Nervensystem sucht Kohärenz. Es will Zugehörigkeit. Es will sich in ein Feld einordnen, in dem es sicher sein kann. Und wenn das Feld inkohärent ist – also mehrere widersprüchliche Realitäten gleichzeitig wirken – dann beginnt das System zu kämpfen.

Es kämpft oftmals nicht gegen andere. Es kämpft gegen sich selbst. Gegen das eigene Empfinden. Gegen das eigene Wissen. Gegen das eigene So-Sein.

Es versucht, sich hineinzupressen in eine Form, die nicht stimmt. Es zensiert die eigene Wahrnehmung, um nicht anzuecken. Es deckelt die eigene Wahrheit, um nicht aus dem System zu fallen.

Diese Selbstverleugnung ist für das Nervensystem auf Dauer tödlich.

Und genau deshalb bringt es nichts, ausschließlich an deinem „Inneren Kind“, an deinem „Ursprungstrauma“, an deinem „Mutterthema“ zu arbeiten – wenn du gleichzeitig in einer Realität lebst, die dich täglich retraumatisiert.

Es braucht einen Bewusstseinswechsel – keinen Selbstoptimierungsplan

Was es braucht, ist kein weiterer Trick, wie du besser durch diese Welt kommst. Was es braucht, ist eine neue Perspektive. Die Klarheit, dass du nicht falsch bist – sondern dass das System, in dem du dich bewegst, für deine Wahrheit zu eng ist.

Und manchmal ist der heilsamste Schritt nicht, etwas zu „heilen“, sondern es zu verlassen.

Nicht aus Drama. Nicht aus Ablehnung. Sondern aus Integrität dir selbst gegenüber.

Wenn du das Gefühl hast, dass dein Nervensystem nicht zur Ruhe kommt, obwohl du so viel gearbeitet hast – frag dich nicht, was du noch alles tun kannst. Frag dich, wo du bist. Mit wem du bist. Welche Realität du atmest, konsumierst, miterschaffst.

Bewusstsein als Befreiung

Wir erschaffen Realität mit unserem Bewusstsein. Und wenn du beginnst, dich wieder mit Menschen zu verbinden, die in Resonanz mit deinem Innersten schwingen, wenn du Umfelder wählst, in denen deine Wahrheit nicht stört, sondern gebraucht wird – dann beginnt dein Nervensystem sich zu erinnern.

Dann geht der Körper langsam aus dem Dauer-Alarmzustand. Dann kannst du wieder durchatmen, nicht nur in der Meditation, sondern in der Bahn, im Gespräch, im Alltag. Nicht weil du dich regulierst – sondern weil du nicht mehr gegen dich leben musst.

Du musst nicht in dieser Welt funktionieren, um wertvoll zu sein

Vielleicht ist das der größte Irrtum unserer Zeit: Dass wir glauben, wir müssten zuerst „kompatibel“ werden mit einer Welt, die sich selbst verloren hat.

Was, wenn deine Unruhe, deine Erschöpfung, dein inneres Beben kein Zeichen deiner Defizite ist, sondern ein Beweis deiner Wahrnehmung? Was, wenn deine Überforderung kein Problem ist, sondern eine Botschaft? Was, wenn du nicht krank bist – sondern klar?

Diese Welt braucht keine Menschen, die sich selbst abschleifen, um in sie hineinzupassen. Sie braucht Menschen, die ihre eigene Realität so klar halten, dass andere sich erinnern, dass es auch anders geht.

Fazit? Vielleicht keins. Nur eine Einladung.

Vielleicht musst du nichts lösen. Vielleicht musst du nichts „noch besser verstehen“. Vielleicht musst du nur aufhören, dich in eine Realität hineinzuzwingen, die dich täglich kleiner macht. Vielleicht geht es nicht um Heilung, sondern um Wahrheit. Um dein inneres Ja zu deiner Frequenz – auch wenn sie nicht für alle bequem ist.

Vielleicht beginnt Freiheit dort, wo du dir selbst erlaubst, nicht länger zu funktionieren.

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